Sterben dürfen?

Stefan Welzk schreibt in der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik einen kurzen Beitrag zu einem Thema, das gerade auch wieder auf der tagespolitischen Agenda steht: Sterbehilfe. Insbesondere die aktive Sterbehilfe, d.h. das Töten eines Menschen auf dessen eigenen Verlangen hin. Im Gesundheitsministerium unter dem CDU-Politiker Hermann Gröhe wird momentan eine Änderung der Rechtslage diskutiert. Demnach soll die gewerbsmäßige, aktive Sterbehilfe gesetzlich verboten werden; Welzk hingegen argumentiert in seinem Beitrag für die Straffreiheit. An dieser Stelle soll es nur ganz zum Schluss darum gehen, Partei für eine Seite zu ergreifen, da ich mich zu diesem Thema noch nicht fundiert positionieren kann bzw. will. Allerdings bin ich der Meinung, dass sowohl Gröhe als auch Welzk in ihrer Argumentation für bzw. gegen ein gesetzliches Verbot grundsätzlich fehl gehen.

Im Folgenden soll zunächst der Begriff und der rechtliche Status der aktiven Sterbehilfe genauer herausgearbeitet und zur passiven Sterbehilfe bzw. zum Suizid abgegrenzt werden. Anschließend werden die Position Gröhes und Welzks untersucht sowie Kritik an beiden geübt. Insbesondere aus Welzks Position lässt sich die Frage nach der Stellung der Sterbehilfe unter den Rahmenbedingungen unserer aktuellen Gesellschaft stellen, die abschließend diskutiert werden soll.

Passive und aktive Sterbehilfe

Ein bewusster, willentlich und freiwillig durchgeführter Suizidversuch ist in Deutschland zunächst einmal straffrei (ein erfolgreicher Suizidversuch ist per se straffrei, da Tote nicht verurteilt werden können). Da Suizid keine Straftat ist, ist auch die Beihilfe oder Anstiftung zum Suizid straffrei; es sei denn, dies erfolgt durch Täuschung. Das Beiwohnen bei einem Suizidversuch ist allerdings nicht grundsätzlich straffrei. Dies liegt in der umstrittenen Auffassung des BGH, dass der bis zu diesem Punkt noch nicht erfolgreiche Suizidversuch als Unglücksfall zu werden ist. Dementsprechend gelten hier die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur unterlassenen Hilfeleistung. Dies ist insbesondere für Ärztinnen und Ärzte relevant, da diese immer zur Hilfeleistung verpflichtet sind.

Ausgehend vom Suizid kann nun die passive bzw. aktive Sterbehilfe sowie deren rechtliche Problematiken untersucht werden. Grob formuliert fällt unter passive Sterbehilfe das Einstellen lebensverlängernder Maßnahmen, eventuell durch ausdrücklich geäußerten Wunsch oder durch eine rechtlich bindende Patientenverfügung. Auch hier ist die Rechtslage etwas unklar, da einerseits die Patientenverfügung jegliche Situation abdecken muss, andererseits muss zwischen Situationen mit eindeutig irreversiblem tödlichen Verlauf und solchen ohne unterschieden werden. Weiterhin abzugrenzen ist die sogenannte indirekte Sterbehilfe, die in der Regel dann vorliegt, wenn schmerzlindernde Medikamente verabreicht werden, die den Tod beschleunigen könnten. Schon hier ist zu sehen, dass Gröhe mit seiner Forderung nach einer rechtlichen Neuregelung nicht ganz unrecht hat. Denn wirklich befriedigend ist die Situation nicht.

Eindeutige Regelungen gibt es allerdings für die aktive Sterbehilfe. Das StGB spricht hier in §216 vom Töten auf Verlangen. Bereits der Versuch ist strafbar und die Tötung auf Verlangen wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet. In der Regel wird bei der aktiven Sterbehilfe ein tödlich wirkendes Medikament verabreicht. Hiervon zu trennen ist die Weitergabe dieses Medikaments an eine Person, die das Ziel hat, Suizid zu begehen (Assistierter Suizid). Allerdings wird es an dieser Stelle wiederum juristisch kompliziert, ist dabei doch die oben bereits angesprochene Pflicht zur Hilfeleistung zu beachten. Einen etwas anderen Blick auf die Thematik der verschiedenen Arten von Sterbehilfe bietet das Portal zur Patientenverfügung des Humanistischen Verbands Deutschlands.

Zum Abschluss der Begriffsklärung soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Begrifflichkeiten nicht unumstritten sind. Insbesondere palliativmedizinische Verbände plädieren dafür, den Begriff der aktiven Sterbehilfe nicht zu verwenden und stattdessen nur noch die StGB-Formel Tötung auf Verlangen zu verwenden. Während die rechtliche Situation zur aktiven Sterbehilfe in Deutschland eindeutig ist, ist sie z.B. in den Niederlanden und auch in Belgien erlaubt. Und hier stößt man auf eine Begrifflichkeit, die die ganze Tragweite der Thematik vielleicht noch besser verdeutlicht: Euthanasie (Niederlande) bzw. euthanasie active (Belgien). In diesem Beitrag werde ich auf die Problematik der Begriffe nicht weiter eingehen. Im Folgenden werden die Begriffe aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) und assistierter Suizid (als Beihilfe zum Suizid z.B. durch die Weitergabe von Medikamenten aber nicht deren Verabreichung) verwendet.

Hermann Gröhe: Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe

Hermann Gröhe lässt sich in der Rheinischen Post mit folgender Aussage zitieren: „Ich wünsche mir, dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen“. Viel genauer wird er an dieser Stelle nicht, aber mit den Begrifflichkeiten im Hintergrund lässt sich vermuten, dass Gröhe sowohl die aktive Sterbehilfe als auch den assistierten Suizid unter Strafe stellen will. Bei der aktiven Sterbehilfe ist die Sachlage durch §216 StGB relativ eindeutig. Es geht also um den bisher nicht ausdrücklich strafbewehrten assistierten Suizid. Da Gröhe weiterhin ausdrücklich geschäftsmäßige Hilfe anspricht, ist davon auszugehen, dass er dies auch mit Blick auf Vereine wie die schweizerische Dignitas tut.

Unabhängig von einer eigenen Meinung zum Thema ist es interessant, mit welcher Begründung Gröhe seine Position vertritt. Ihm zufolge „versündigt sich an der Wertschätzung des menschlichen Lebens“, wer „Selbsttötung propagiert, als Ausdruck der Freiheit des Menschen geradezu verklärt“. Hier wird also eine rechtliche Frage einerseits mit einer ethisch-moralischen Begründung beantwortet, andererseits unter Nutzung religiöser Begrifflichkeiten (Sünde). Nun kann man einem Politiker der CDU das ja gerne zugestehen (auch wenn das C in der CDU-Politik ansonsten doch überschaubar klein ist…), allerdings mutet es doch etwa seltsam an, mit einer christlichen Begründung etwas zu rechtfertigen, was im Kern alle Menschen egal welcher religiösen oder nicht-religiösen Couleur betrifft.

Gröhes Rechtfertigung ist demnach überhaupt kein Argument, mit dem der assistierte Suizid aus rechtlicher Sicht abgelehnt werden könnte. Denn mit dem Begriff der Sünde ist schon so mancher Tatbestand belegt wurden, der nun weder rechtlich noch moralisch verwerflich wäre. In der christlichen Tradition fällt in die Sünde unter anderem ein Verstoß gegen eines der zehn Gebote, in dieser Form sogar als Todsünde. Nähmen wir also das C in der CDU beim Wort müsste es auch ein gesetzliches Verbot der Sonntagsarbeit geben, denn das dritte Gebot besagt nichts anderes als „Du sollst den Feiertag heiligen.“ Auch der Ehebruch müsste demnach als Sünde immer noch strafbewehrt sein. Doch glücklicherweise leben wir nicht mehr in einer Zeit, in der religiöse Gebote automatisch in positives Recht umgewandelt werden.

Kann man also Gröhes Argumentation einfach beiseite legen und damit zu der Überzeugung kommen, dass der assistierte Suizid legalisiert werden sollte? Ja vielleicht sogar die aktive Sterbehilfe? Dieser Meinung ist, wenn man den Umfragen glauben darf, eine immer größere Anzahl an Menschen. Eine große Mehrheit von 66 Prozent der Befragten spricht sich dafür aus, die aktive Sterbehilfe zu legalisieren.

Stefan Welzk: Legalisierung der Sterbehilfe

Auch Stefan Welzk befürwortet in seinem Beitrag die aktive Sterbehilfe (neben allen anderen Formen der Sterbehilfe), u.a. mit genau dem oben gemachten Verweis darauf, dass Gröhes Aussage zur Sünde „allenfalls Sache der Moral und nicht der Strafjustiz“ sei. Und die selbstständige Entscheidung am Ende des Lebens klingt ja auch zu schön, beginnt er doch mit einigen drastischen Beispielen, die emotional aufrütteln sollen. Da wird der Anwalt der Tochter, die ihre Mutter beim Sterben unterstützt, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt (Fall 1). Ein gelähmter Patient mit einem Hirntumor wird zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert, weil er lebensverkürzende Maßnahmen wünscht (Fall 2). Eine Komapatientin mit „einwandfrei formulierter Patientenverfügung“ wird 15 Jahre am Leben gehalten (Fall 3). Und nicht zuletzt wird ein Palliativpatient fixiert, weil er sich die Schläuche herausreißen will (Fall 4).

Bevor wir die einzelnen Argumente anschauen, mit denen Welzk versucht, seine Position für die aktive Sterbehilfe zu untermauern, ist an dieser Stelle eine Klärung der Beispiele notwendig, mit denen er die Leser_innen seines Beitrags einzufangen versucht. Im Zentrum der Betrachtung steht hierbei die Frage danach, ob es sich bei den Beispielen tatsächlich schon um Fälle aktiver Sterbehilfe handelt oder ob hier nicht eine falsche Kategorisierung vorliegt.

  • Fall 1: Patientin liegt fünf Jahre im Koma, hat vorher für solch einen Fall Lebensverlängerung abgelehnt, Tochter trennt auf Anraten des Anwalts den Schlauch der Magensonde durch – Hier ist das Stichwort, dass die Patientin eine Lebensverlängerung abgelehnt hat.Es bleibt leider im Beispiel unklar, ob dies in Form einer Patientenverfügung oder nur mündlich geschehen ist. Liegt eine Patientenverfügung vor, ist der Fall eindeutig. Denn dann hat die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt entgegen dem Willen der Patientin gehandelt und damit nach aktueller Rechtsprechung Körperverletzung begangen. Doch spätestens seit 2010 ist die rechtliche Lage auch für den Fall klar, dass die Patientin ihren Wunsch nur mündlich geäußert hat. In seinem Urteil vom 25. Juni 2010 hat der BGH (in dem scheinbar auch von Welzk angesprochenen Fall) den verurteilten Anwalt freigesprochen. Dieser Freispruch basierte auf der Anerkennung des 2009 eingeführten Patientenverfügungsrechts und erkennt auch den mündlich geäußerten Wunsch der Patientin an. Daher lässt sich festhalten, dass dies kein Beispiel ist, um Sterbehilfe zu legalisieren, insbesondere nicht die aktive. Stattdessen liegt hier ein Verstoß gegen den Willen der Patientin vor.
  • Fall 3: Patientin mit Patientenverfügung wird entgegen anders lautender Anweisungen am Leben erhalten – Dieser Fall ist rechtlich absolut eindeutig und ein Fehlverhalten des medizinischen Personals. Dieses hat gegen den Willen der Patientin gehandelt und dementsprechend wie auch in Fall 1 Körperverletzung begangen. Auch hier findet sich kein Argument, das für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe spricht.
  • Fall 4: Palliativpatient wird nach Suizidversuch zwangsfixiert – Hier haben wir es mit einem Problem zu tun, vor dem Mediziner_innen stehen, wenn sie einem Suizidversuch beiwohnen bzw. beobachten. Wie oben bereits angesprochen, unterliegen Beteiligte hier der Hilfspflicht und machen sich der unterlassenen Hilfeleistung strafbar, wenn sie dieser nicht nachkommen. Das heißt also, die Mediziner_innen hat in dieser Situation keine andere Wahlmöglichkeit, als den Patienten zu fixieren und damit seinen Suizidversuch zu unterbinden, insofern sie sich nicht strafbar machen wollten. Allerdings ist an dieser Stelle eventuell die Wortwahl von Welzk interessant: „Ein Palliativpatient, der seine Tortur endlich beenden will…“. Dieser Punkt ist insofern interessant, als er uns zu einer grundsätzlichen Kritik an der Argumentation Welzks für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe führt, die weiter unten genauer ausgeführt werden soll.
  • Fall 2: Einweisung eines Patienten mit Hirntumor in die Psychiatrie, nachdem dieser den Wunsch nach lebensverkürzenden Maßnahmen geäußert hat – Ein schwierig zu beurteilender Fall, da nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Allerdings macht zumindest ein Punkt stutzig: der Patient ist nach zwei Wochen auf der geschlossenen Station der Psychiatrie verstorben. Fraglich ist, ob der Patient außerhalb der Psychiatrie länger gelebt hätte – und sein Arzt ihm also seinen Wunsch nicht doch tatsächlich erfüllt hat. Da ist natürlich reine Spekulation und die Bewertung dieses Falles hängt insbesondere von der Behandlung in der Psychiatrie ab – wurde der Patient palliativ betreut oder wurde er seinem Leiden überlassen? Diese Fragen spielen für die Bewertung einer großen Rolle; ohne eine Beantwortung lässt sich der Fall nicht abschließend beurteilen.

Bevor die Kritik an Welzks Argumentation geäußert wird, soll an dieser Stelle allerdings noch kurz dargestellt werden, anhand welcher Argumente Welzk seine Position für die Sterbehilfe begründet. Er führt unter anderem aus, dass „ein Stadium schwerer Pflegebedürftigkeit die Menschenwürde verletzen kann“. Im Nachgang folgt eine kurze, aber für die Kritik an seiner Argumentation nicht unwichtige Bemerkung, dass dies im Normalfall auf unwürdige Zustände in Pflegeeinrichtungen zurückzuführen ist. Welzk kommt dann relativ schnell auf das Argument der Kosten zu sprechen in der Form, dass „es schwerstkranke alte Menschen zutiefst deprimieren [kann], wenn all das, was sie über Jahrzehnte angespart haben und ihren Kindern als Starthilfe mitgeben wollen, für die Kosten einer Heimpflege dahinschwindet, die sie selbst inständig beenden möchten“. Welzk beruft sich de facto auf eine Kernthese: Die Menschenwürde wird verletzt, da einer Person die autonome Entscheidung über das Sterben aberkannt wird. Das Kostenargument ist bei Welzk ein gewichtiger Grund, aus dem sich schwerst Pflegebedürftige für das Sterben entscheiden bzw. den Wunsch zu sterben äußern.

Aus rechtlicher Sicht ist mit den oben genannten Punkten festzuhalten, dass in Deutschland nicht jede Form der Sterbehilfe verboten ist bzw. juristisch verfolgt wird. Insbesondere beim Vorliegen einer Patientenverfügung herrscht seit dem BGH-Urteil von 2010 relative Klarheit, wenn auch mit immer noch vorhandenen Problemen. Worum es Welzk aber anscheinend geht, ist die Legalisierung auch der aktiven Sterbehilfe. Welzk zufolge kann dieser Wunsch entstehen, da pflegebedürftige Menschen sich in ihrer Menschenwürde verletzt sehen, da sie die letzte Zeit ihres Lebens unter nicht tragbaren Bedingungen in Pflegeeinrichtungen verbringen müssen. Ein weiterer nicht unwesentlicher Grund sind die Kosten, die durch die Behandlung am Ende des Lebens stehen.

Sterbehilfe im Kapitalismus

Beide Gründe für den Wunsch nach Beendigung des Lebens führen allerdings nicht wirklich an den Kern der Sache heran. Sie sind insofern Probleme, die sich vor dem Hintergrund der aktuellen kapitalistischen, profitorientierten Gesellschaftsordnung ergeben. Man muss die Frage stellen, wie viele Menschen sich am Lebensende tatsächlich den Wunsch zu sterben stellen würden, wenn die systemischen Grenzen sich verschieben würden.

Nehmen wir zum Beispiel den Bereich der Palliativmedizin, der schon seit 2007 ausgebaut werden soll. Es ist wohl im Kern nicht verwunderlich, dass dieses wichtige Projekt nicht wirklich vorangetrieben wird, bringt es doch kaum Aussicht auf Profit und bindet vor allem eine Menge an personellen und zeitlichen Ressourcen. Oben wurde bereits angesprochen, dass Welzk von einer „Tortur“ in der Palliativmedizin spricht. Warum wird dann nicht genau an diesen Punkt angeknüpft und versucht, palliative Einrichtungen besser zu finanzieren und vor allem das Leben in diesen Einrichtungen „lebenswerter“ zu machen, so dass der Wunsch auf Sterben gar nicht erst entsteht. Dies erfordert natürlich auch die psychologische Begleitung von Patient_innen und nicht nur das bloße medizinische Überwachen ihrer Vitalfunktionen.

Von diesen Punkten ausgehend soll noch ein kurzer Blick auf das Kostenargument Welzks folgen. Auch hier ist relativ schnell klar, dass wir es im Kern mit einem Problem zu tun haben, welches sich durch eine kapitalistische Gesellschaftsordnung ergibt. Jede Arbeitskraft wird benötigt und daher stehen Angehörige immer im Spannungsfeld zwischen Pflege ihrer Angehörigen und dem Gang zur Lohnarbeit. Dass in diesem Spannungsfeld viele Menschen zerrieben werden, kann niemandem persönlich vorgeworfen werden. Sollten wir also nicht eher dafür sorgen, dass Angehörige in dieser schwierigen Zeit unterstützt werden durch Arbeitszeitverkürzung oder vielleicht sogar durch generelle Freistellung von ihrer aktuellen Arbeit? Die Politik eines Landes, das sich trotz allem immer noch als sozialstaatlich gibt, sollte zumindest darüber nachdenken können.

Fassen wir zusammen, lässt sich festhalten, dass wir es hier mit einem im überwiegenden Maße gesellschaftlichen statt eines individuellen Problems zu tun haben. Die Frage liegt also zunächst nicht so sehr darin, ob wir Menschen aktiv von ihrem Leiden erlösen können, welches sie durch Krankheit o.ä. ertragen müssen. Stattdessen sollten wir uns fragen, was es uns wert ist, das Leben dieser Menschen wieder lebenswert zu machen. Dies erfordert neben gesellschaftliche Anstrengungen nicht zuletzt einen Wechsel der Politik weg von einer Profitorientierung aller Lebensbereiche hin zu einer Politik, die für die Menschen da ist und sich deren Probleme annimmt.

Zum Schluss soll noch ein kurzer, vielleicht etwas polemischer Blick auf die Probleme der aktiven Sterbehilfe an sich folgen. Sicherlich klingt es schön, wenn wir einem alten Menschen die Möglichkeit geben, autonom über das Ende seines Lebens zu entscheiden. Nicht umsonst kommen dann Argumente wie, dass dieser Mensch ja sein Leben mit Höhen und Tiefen gelebt hat und nun friedlich aus dem Leben scheiden will. Insbesondere sollen die Kinder nicht unter den enormen Kosten der Pflege belastet werden. Doch denken wir diesen Gedankengang einmal weiter: Ist ein Mensch, der mit einer Behinderung geboren wird und zeitlebens auf Pflege angewiesen ist, nicht viel „teurer“? Würden wir auch hier das Recht auf aktive Sterbehilfe zugestehen? Wählen wir den leichten und kostengünstigeren Weg der Medikamentengabe, um das Leben zu beenden? Oder wollen wir diesen Menschen nicht doch auch ein lebenswertes Leben bereiten, ohne dass sie sich Gedanken über die Kosten machen müssen? Diesen Fragen sollte sich eine Gesellschaft, in der sich zwei Drittel für die aktive Sterbehilfe aussprechen, stellen. Und ganz ehrlich: vor einer Gesellschaft, die die ersten Fragen mit ja beantwortet, graut es mir.


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