Skript: Theoretische Philosophie Uni Leipzig (06.11.2013)

In Platons Dialog Kratylos werden zwei mögliche Antworten auf die Frage nach der Macht der Rede gegeben. Einerseits kann sie darin begründet liegen, dass die Rede die Welt abbildet (Kratylos). Andererseits kann die Macht darin begründet liegen, dass die Rede die Erschaffung von Welten ermöglicht (Hermogenes). Damit ist nach dem ersten Thema der Philosophie, welches sich aus der ersten Krise entwickelt (der Autonomie) deren zweites Thema gestreift: das Verhältnis zwischen Sprache und Welt. Mit Parmenides und Heraklit wird nun mit der Wahrheit das dritte Thema der Philosophie entwickelt.

Erklärung von Wahrheit

Nach Parmenides (540 – 4. Jh. v. Chr.) liegt die Macht der Rede in deren Wahrheit begründet. Allerdings ist der Begriff der Wahrheit nicht definierbar, da er sich nicht auf anderes zurückführen lässt. Zum Beispiel lässt sich die “Definition”, dass Wahrheit die Entsprechung des Geistes mit der Gegenwart nicht überprüfen. Daher ist immer ein bestimmtes Verständnis von Wahrheit, auf welchem aufgebaut wird, im Vorhinein notwendig und damit lässt sich Wahrheit maximal erläutern aber nicht definieren.

Parmenides’ Gedicht “Über die Natur” will die verborgene Einheit zwischen der bloßen Erscheinung in Dualismen (z.B. Tag/Nacht, Liebe/Hass) aufdecken. Das Gedicht handelt vom Weg zur Erkenntnis. Auf diesem Weg stößt Parmenides an einer Stelle an eine Barriere, die er nur mit göttlicher Hilfe überwinden kann. Die göttliche Erscheinung klärt ihn über den richtigen Weg, d.h. den Weg der Wahrheit, auf. Dementsprechend muss, um zu Erkenntnis zu gelangen, immer mit der Wahrheit und nicht mit Falschheit bzw. Negativität begonnen werden. Parmenides beantwortet die Frage nach der Wahrheit damit, dass diese identisch mit dem Sein ist und es daher eine Einheit zwischen beiden gibt. Dementsprechend hat eine wahre Aussage stets eine Entsprechung in der Welt und alle wahren Sätze beziehen sich laut Parmenides auf das Sein. Da es nur ein Sein gibt und dieses keine Teile hat, bilden alle wahren Sätze ein Netz. Damit lassen sich aber auch alle wahren Sätze aus einem einzigen wahren Satz ableiten und es gibt eine Einheitswissenschaft, die sich auf das Sein bezieht. Im letzten Teil des Gedichts erläutert Parmenides die vorgeblich dualistischen Erscheinungen in der Welt mit Hilfe dieser Einheit, z.B. wird der Dualismus zwischen Tag und Nacht aufgelöst, indem die Nacht als Tag mit weniger Licht definiert wird.

Das Werk Parmenides’ hat einen Systemcharakter in dem Sinne, dass es zunächst eine Methode erläutert und anschließend die Anwendung der Methode auf die Welt zeigt. Diese Struktur hat Vorbildcharakter für viele nachfolgende philosophische Titel. Heraklit (~535 – 475 v. Chr.) entwickelt ein Gegenprojekt zu Parmenides. Seine These ist, dass die Erscheinung das Sein ist. Das heißt also, das was wir sehen, ist das, was es gibt. Das Einheitsprinzip der Welt ist damit nicht das Sein sondern der Geist, d.h. die Menschen selber stiften die Einheit im Gegensatz zu Parmenides, bei der die Einheit auch ohne uns existiert. Die Wahrheit ist dementsprechend identisch mit dem Geist.

Wahrheit als Einheitsprinzip

Sowohl Parmenides’ als auch Heraklits Interpretationen von Wahrheit sind bis heute hin relevant für die Philosophie. Bei Parmenides ist die Wahrheit identisch mit dem Sein, was als eine Form der Korrespondenztheorie von Wahrheit angesehen werden kann. Demgegenüber vertritt Heraklit eine Urform der Kohärenz- bzw. Konsenstheorie von Wahrheit.

Trotz der Unterschiede in der Erklärung der Wahrheit eint Parmenides und Heraklit die Aussage, dass die Wahrheit die Einheit der Welt stiftet und Wahrheit das Verhältnis zwischen Rede und Welt beschreibt. Da sich sowohl Kritiker als auch Kritisierter beide auf die Wahrheit beziehen kann jede Meinung kritisiert werden. Dies zeigt sich auch im Dialog Kratylos von Platon. Während Kratylos die Interpretation Parmenides’ verteidigt, steht Hermogenes in der Tradition von Heraklit. Auch die nachfolgenden philosophischen Richtungen beziehen sich in der Regel auf eine parmenidische oder heraklitische Deutung. Ausgehend davon kritisiert Platon die Sophisten, die weder Heraklit noch Parmenides folgen. Da es für diese keine Wahrheit gibt erklären sie das Fürwahrhalten bzw. das Fürrechthalten zur Wahrheit bzw. zum Recht.


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