Imperium – ein Südseeroman, der Anfang 2012 die gesammelte Literaturkritik auf den Plan gerufen hat. Demokratiefeind! schreibt Georg Diez. Schauen wir uns das mal an. Zunächst ganz naiv und dann etwas politischer.
Da liegt er also vor mir – der Christian Kracht mit seinem Imperium. Ein schick anzusehendes Cover mit einem Südseepanorama, auf dem ein alter Dampfer zu sehen ist, der in Richtung eines idyllischen Eilands fährt. Die Idylle stört lediglich der Totenkopf, der sich dort versteckt. Auf dem Buchrücken finden wir einen Kommentar Elfriede Jelineks. Sie schreibt, wir hätten einen Abenteuerroman in den Händen und freut sich, dass es das noch gibt.
Nun, ich muss zugeben – Abenteuerromane sprechen mich jetzt nicht wirklich an, da bei dem Wort immer der Karl May in meinem Hinterkopf klingelt und das dann doch zu sehr an dröge Wüsteneien erinnert. Was war also passiert, dass sich auf einmal Imperium im Bücherregal befand? Na klar, ein Skandal war der Auslöser. Georg Diez – allseits bekannt im Umfeld des Spiegels – schreibt in Ausgabe 7/2012, dass Kracht mit dem Roman seine Nähe zum rechten Gedankengut zeigt. Interessanterweise hat ausgerechnet diese Spiegel-Ausgabe den Titel Nazi-Partei NPD – Verboten Gefährlich. Nun ja… Diez‘ Meinung ruft im wohl fast gesamten Feuilleton Ablehnung hervor. Grund genug also, mal selber zu schauen, was dahinter steckt.
In Krachts halb dokumentarischen Roman geht es um den Nudisten und Vegetarier August Engelhardt. Anfang des 20. Jahrhunderts ist Engelhardt einer von vielen Aussteigern. Er erwirbt in der Südsee ein eigenes Eiland und gründet dort seinen Kokovoren-Orden. Grundlage ist die alleinige Ernährung (und Verehrung) der Kokosnuss. Denn durch die Kokosnuss lässt sich in ein höheres Menschsein transzendieren.
So weit, so abstrus – Engelhardt ist also auf der Suche nach neuen Mitstreiter_innen, die seinem Weg folgen. Dazu verbreitet er seinen Gedanken in der Welt; und tatsächlich trifft bald der erste Gefolgsmann, Heinrich Aueckens, ein. Er stell sich allerdings nicht gerade als ideale Begleitung heraus und geht deshalb, soviel sei an dieser Stelle schon einmal verraten, recht schnell den Weg alles Irdischen. Dies ist nur das erste von vielen Ereignissen, die schlussendlich dazu führen, dass Engelhardts großer Traum zerplatzt, ohne dass er es selber merkt. Am Ende bleibt davon nichts mehr übrig.
Nun, was haben wir da also für ein Buch vor uns? Zuallererst ein lustiges und locker-leicht zu lesendes. Eine Zugfahrt Leipzig – München (mit ein wenig Verspätung zwischen drin) und das Imperium ist aufgebaut und wieder in sich zusammengebrochen. Kracht schreibt immer mit einem gewissen Augenzwinkern und mitunter recht detailliert. Kleiner Ausschnitt:
„Bläßliche, borstige, vulgäre, ihrer Erscheinung nach an Erdferkel erinnernde Deutsche lagen dort und erwachten langsam aus ihrem Verdauungsschlaf, Deutsche auf dem Welt-Zenit ihres Einflusses.“
Tja und an dieser Stelle kommen wir mal darauf zurück, was Diez über Kracht geschrieben hat: Er sei „Türsteher der rechten Gedanken“. Wenn Diez die Beschreibung der Realität des beginnenden 20. Jahrhunderts als Türsteher ansieht, dann bitte. Nur ist es leider so, dass es damals Herren und Diener in der Ausprägung Weiße und People of Colour gab. Und wenn wir uns die Mehrheitsgesellschaft heute anschauen – gab es da großartige Änderungen an den Einstellungen? Nicht wirklich; immer noch ist der Rassismus der Mitte ein generelles Problem, welches durch abstruse Extremismustheorien verharmlost werden soll. Genau so wie sich heutzutage die weiße Mehrheitsgesellschaft in der Südsee als Herr sieht hat sich schon Krachts‘ Engelhardt von Beginn an über die Einwohner_innen seines Eilands gestellt. Und der Erwerb von Grundbesitz, um dort wie ein_e König_in zu residieren, ist ja wohl im Kern Kapitalismus as usual. Engelhardts anlassloser Wandel zum Antisemiten ist daneben die wohl antideutschste Beurteilung seit langem, die größere Verbreitung außerhalb der konkret gefunden hat (eine Bewertung antideutscher Positionen soll an dieser Stelle aber nicht erfolgen).
Fassen wir zusammen: Krachts ironischer Stil mag dazu verleiten, dass man Erzähler und Autor verwechselt. Aber wenn es danach geht, könnte man auch Péter Nádas einen Nazi nennen oder müsste jegliche_n Ich-Erzähler_in aus der Literatur verbannen. Stattdessen sollte man Imperium als das lesen, was es ist. Ein augenzwinkernd geschriebener leichter Roman über einen Menschen mit einem Traum, der zerplatzt. Tragisch aber zugleich auch lustig.
Christian Kracht – Imperium, erscheinen bei Kiepenheuer & Witsch im Februar 2012. 256 Seiten. 18,99 Euro.
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