Jerusalem in acht Tagen – Tag 1 und 2

Am ersten richtigen Jerusalem-Tag heißt es zunächst etwas länger ausschlafen, um dann frisch gestärkt in das Abenteuer Jerusalem zu starten. Zum Stärken gehört ja normalerweise auch, dass es erst mal die touristischen Klassiker gibt: auf in den Supermarkt und Wasser gekauft. Das stellt sich allerdings in Jerusalem an einem religiösen Feiertag (um nicht zu sagen: einem der religiösen Feiertage schlechthin) als nicht ganz so einfach heraus. Das ist ein bisschen wie Sonntag. Nur schlimmer. Es hat tatsächlich alles zu, was irgendwie jüdisch ist. Kein Späti, keine Tankstelle, nichts. Aber auch hier helfen uns wie schon am Vortag die Araber wieder. Denn die haben auf. Es ist allerdings schon ein kleiner Fußmarsch von Mount Herzl bis man fast in der Altstadt auf die ersten durch Araber geführten Geschäfte trifft. Und den muss man auch per Fuß gehen, denn ÖPNV gibt es am Feiertag auch nicht.

Erster Eindruck der Altstadt

Am ersten Tag hieß es zu Fuß von der Neustadt Jerusalems Richtung Altstadt. Und so sieht dieser Weg aus.
Am ersten Tag hieß es zu Fuß von der Neustadt Jerusalems Richtung Altstadt. Und so sieht dieser Weg aus.

Dafür ist man dann auch fast schon im Zentrum angekommen, so dass es nicht mehr weit ist bis zum Treffpunkt der ersten Stadttour. Wie in vielen anderen Städten, gibt es auch in Jerusalem eine Free City Tour von Jerusalem. Falls die jemand noch nicht kennt – unbedingt empfehlenswert; motivierte Guides und ein sehr internationales Publikum. Viel besser als mit deutschen Rentner_innen die Sehenswürdigkeiten durch eine Busscheibe anzugucken. Die Free City Tour – angelegt auf ca. zwei Stunden – ist ein bisschen die Einstiegstour. Unser Guide, Assaf, ist gut drauf und führt uns durch die vier verschiedenen Stadtteile der Altstadt: das armenische, jüdische, muslimische und christliche Viertel.

Und auch wenn die Altstadt gerade mal einen knappen Quadratkilometer groß ist, zeigen sich doch in den verschiedenen Quartieren ganz unterschiedliche Eigenheiten. Das armenische Viertel ist am besten mit „ganz nett“ zu beschreiben – es gibt ein paar schicke Lädchen und ansonsten ist es eher ruhig. Im jüdischen Viertel ist zumindest an diesem Tag auch nicht allzu viel los; das liegt aber nur daran, dass gerade Pessach ist und das richtige Leben damit erst Abends losgeht. Ganz anders das muslimische Viertel: es ist voll und laut und ein kleiner Laden schließt sich an den anderen an, ab und zu unterbrochen durch kleinere Restaurants. Im Vergleich zu den anderen Vierteln muss man schon sagen, dass es hier auch weniger schön, da schmutziger ist. Im christlichen Viertel ist wie auch im muslimischen Viertel recht viel los; es ist aber bedeutend sauberer. Die Altstadt Jerusalems ist definitiv mal eine stadtsoziologische Untersuchung wert, denn hier zeigt sich Segregation (Hallo Stephan :)) wie man sie sonst nur sehr selten zu sehen bekommt: Auch wenn es Juden gibt, die im muslimischen Viertel, Christen, die im jüdischen Viertel usw. wohnen – der Großteil der Leute bleibt doch unter ihresgleichen.

Während der Tour kommen wir an einigen Highlights wie dem Davidsturm und auch der Klagemauer vorbei. Besonders an der Klagemauer ist schön zu erkennen, wie sehr die großen drei Religionen eigentlich miteinander verwoben sind. Dort wo früher der erste und zweite jüdische Tempel standen, steht jetzt die Al-Aqsa-Moschee. Gleich daneben befindet sich der Felsendom. Nach islamischer Lesart ist von hier aus Mohammed in den Himmel gefahren. Die Bibel sagt, dass hier Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte. Und nicht zuletzt soll hier der erste Mensch, Adam, erschaffen worden sein. Egal an was man glauben will, hier ist für alle etwas dabei. Aufgrund der aufgeladenen Geschichte ist der Tempelberg, auf dem die Moschee und der Felsendom stehen wohl auch das eigentliche Symbol des Nahost-Konflikts.

Touristenziele müssen natürlich auch dabei sein: Die Klagemauer. Im Hintergrund die Al-Aksa-Mosche mit der grauen Kuppel.
Touristenziele müssen natürlich auch dabei sein: Die Klagemauer. Im Hintergrund die Al-Aksa-Mosche mit der grauen Kuppel.

Der Zugang zum Tempelberg ist leider extrem reguliert und Nicht-Muslime dürfen weder in den Felsendom noch in die Al-Aqsa-Moschee. Die Klagemauer ist der Rest des ersten jüdischen Tempels und daher das größte jüdische Heiligtum. Das zeigt sich besonders gut abends, wenn der gesamte Platz mit orthodoxen und nicht-orthodoxen Juden bevölkert ist. Bevor man an die Klagemauer kommt, heißt es aber erst mal durch einen Metalldetektor zu gehen. Auch wenn nach Inschrift die Nutzung des Detektors nicht dazu führt, dass man den Sabbat bricht, gibt es doch einige Orthodoxe, die sich dieser Prozedur nicht unterziehen wollten (wir erinnern uns – es ist Beginn der Pessach-Woche). Die kommen nach einigem Zureden dann meist rein, ohne durch den Detektor gegangen zu sein. Ist das in irgendeiner Art und Weise sinnvoll? Nein. Aber über Sinn und Unsinn lässt sich hier wohl eher nicht reden.

Nicht nur an der Klagemauer sondern auch im alltäglichen Stadtbild Jerusalems zeigt sich dann auch das, was man in manchen Berichten schon gelesen hat und was in den nächsten Jahren wohl einer der innenpolitischen Brennpunkte Israels werden könnte. Das ultraorthodoxe Judentum wird von Israel recht stark unterstützt, obwohl es eine nicht allzu kleine Community gibt, die den Staat Israel ablehnen. Dies begründen sie damit, dass nur der Messias einen jüdischen Staat ausrufen darf. Ultraorthodoxe Juden haben ihr ganzes Leben der Religion verschrieben, d.h. sie gehen weder arbeiten noch leisten sie den obligatorischen Dienst in der IDF ab. Bis Anfang 2014 waren sie von der Wehrpflicht befreit; mittlerweile sollen sie allerdings auch nach und nach eingezogen werden. Denn es gibt ein recht großes Problem. Während die durchschnittliche Anzahl an Kindern in Israel bei etwa 2,5 liegt (auch das schon relativ hoch), haben ultraorthodoxe Juden im Schnitt 6 bis 7 Kinder. Und das zeigt sich auch so im Stadtbild (ja liebe Soziolog_innen, die statistischen Probleme des Durchschnitts sind bekannt, aber ich habe keine Angaben zum Median): Gegen Abend macht sich ein Strom ultraorthodoxer mit unglaublich vielen Kindern auf den Weg zur Klagemauer. Beim Durchzählen ist es tatsächlich so, dass sich um zwei Erwachsene recht oft eine Schar von fünf, sechs, sieben Kindern versammelt.

Blick von der Stadtmauer der Altstadt Jerusalems in Richtung Südosten.
Blick von der Stadtmauer der Altstadt Jerusalems in Richtung Südosten.

Und leider, leider zeigt sich schon bei einigen Kindern die hässliche Seite der religiösen Erziehung. Denn auch wenn man kein Hebräisch versteht, kann man wohl gut nachvollziehen, dass einige Kinder ultraorthodoxer Juden nicht gut auf arabische Kinder und andersherum zu sprechen sind. Besonders schade ist das dann, wenn die Kinder nicht älter als acht oder neun Jahre sind und sich gegenseitig beschimpfen… Nun ja, dank meiner Gastgeber_innen weiß ich aber zum Glück, dass nicht alle so drauf sind.

Die Heilige Stadt Jerusalem und der Ölberg

Der zweite Tag war dann wieder ein Tour-Tag. 9:30 (zum Glück gibt es wieder ÖPNV, denn ansonsten hätte wieder eine ca. einstündiger Fußmarsch angestanden) geht es los mit der Holy City Tour. Wir klappern die ganzen religiösen Hotspots der Altstadt Jerusalems ab. Oder besser gesagt eine Teil davon, denn es gibt einfach zu viele, um alle mitzunehmen. Die werden unserem kleinen Grüppchen wieder von Assaf gezeigt. Unter anderem gibt es ein paar mehr Details zum Tempelberg und den ganzen Wandlungen, die das Gebiet im Laufe der Geschichte durchgemacht hat. Fehlen darf auch nicht die Via Dolorasa, der Weg den Jesus angeblich auf dem Weg zur Kreuzigung gegangen ist. Sein Weg endete auf den Hügeln von Golgota, die damals noch außerhalb von Jerusalem lagen. Heutzutage ist der Hügel als solcher gar nicht mehr zu erkennen, denn er liegt mitten in der Altstadt.

Auf dem Hügel steht die Grabeskirche, die besonders jetzt in der Woche vor Ostern schon am Mittwoch aus allen Nähten platzt. Hier streiten sich ungefähr vier verschiedene christliche Strömungen um die Interpretation des Geschehens. Das wurde den Leuten irgendwann zu bunt, so dass ein sogenannter Status Quo festgelegt wurde. Ein etwa sieben Meter dickes Buch, in dem haarklein aufgeführt ist, welche Strömung welchen Teil der Kirche benutzen darf, wann deren Betzeiten sind, wer wem Platz machen muss, wer welche Renovierungen vornehmen darf usw. Das führt u.a. dazu, dass seit ca. 150 Jahren eine Leiter auf dem Dach der Kirche steht, die damals zu einem Eingang geführt hat, heutzutage aber keine Funktion mehr erfüllt. Allerdings ist im Status Quo anscheinend nicht geklärt, wer die wegnehmen darf und was danach mit der Leiter passieren soll. Also bleibt sie dort stehen, bis sie wohl irgendwann mal von alleine umfällt. Was dann sicherlich als heiliges Zeichen in irgendeiner Richtung gedeutet werden kann…

Unsere kleine Stadttour hat uns auch in die Grabeskirche geführt. Auf der Steinplatte, die hier nicht ganz sichtbar ist, soll der gute Jesus damals nach seinem Tod abgelegt worden sein. Heutzutage ist er mit Öl eingestrichen; Gläubige reiben ihre Kleidung daran und diese ist anschließend geheiligt. Zumindest riecht es ordentlich nach Olivenöl.
Unsere kleine Stadttour hat uns auch in die Grabeskirche geführt. Auf der Steinplatte, die hier nicht ganz sichtbar ist, soll der gute Jesus damals nach seinem Tod abgelegt worden sein. Heutzutage ist er mit Öl eingestrichen; Gläubige reiben ihre Kleidung daran und diese ist anschließend geheiligt. Zumindest riecht es ordentlich nach Olivenöl.

Nachmittags geht es dann direkt religiös weiter mit der Mount of Olives Tour (Der Mount of Olives ist im Deutschen der Ölberg). Dazu fahren wir erst mal mit dem Bus den Berg hoch (ein Glück, denn es ist mittlerweile doch ganz schön warm und ich schon ganz schön krebsfarben). Dort gibt es wieder einige Stationen mit Bezug zu den letzten Tagen Jesus‘. Unter anderem der Ort, an dem die Himmelfahrt passiert sein soll. Dort steht jetzt eine kleine Kirche, in der aber nichts drin ist außer ein Fußabdruck, den Jesus hinterlassen hat. Und eine kleine Einsprenkelung, die Richtung Mekka zeigt. Mekka? Ja genau, den unter muslimischer Herrschaft wurde aus der Kirche eine Moschee gemacht. Das hat für einige Verwirrung bei einer US-Touristin geführt, die sich nicht erklären konnte, wie Muslime hier beten können. Das hat für sie alles keinen richtigen Sinn ergeben. Die Frage, wann Religion das letzte Mal Sinn ergeben hat, habe ich mir aber freundlicherweise gespart.

In der Himmelfahrtskirche findet sich dann dieser Fußabdruck von Jesus. Der Abdruck des linken Fußes ist nicht mehr vorhanden, da er beim Umbau in eine Moschee entfernt wurde. Nun weiß also auch die neuere Forschung, welche Schuhgröße er hatte.
In der Himmelfahrtskirche findet sich dann dieser Fußabdruck von Jesus. Der Abdruck des linken Fußes ist nicht mehr vorhanden, da er beim Umbau in eine Moschee entfernt wurde. Nun weiß also auch die neuere Forschung, welche Schuhgröße er hatte.

Die Tour führt uns weiter vorbei an einer kleinen Kirche, von der aus man den Tempelberg sieht. Die Kirche ist in Form einer Träne gebaut, da Jesus hier die Zerstörung des Tempels erschienen ist. Von hier aus sieht man auch eine Unzahl an Gräbern. Die wurden unter muslimischer Herrschaft hier angelegt und weisen den Weg in Richtung eines der Stadttore. Durch dieses Tor soll der jüdische Messias in die Stadt kommen. Die Gräber wurden angelegt, damit der Messias verunreinigt wird und die Welt nicht mehr erlösen kann. Allerdings hat die muslimische Herrschaft die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn der Messias wird nur durch jüdische Gräber verunreinigt. Und nicht durch muslimische, wie sie sich auf einem muslimische Friedhof finden.

Auf dem Ölberg finden wir eine von Helena (Mutter Konstantins) beauftragte Kirche, in der das Vater Unser in sehr vielen Sprachen abgedruckt ist. Unter anderem auch in Braille-Schrift.
Auf dem Ölberg finden wir eine von Helena (Mutter Konstantins) beauftragte Kirche, in der das Vater Unser in sehr vielen Sprachen abgedruckt ist. Unter anderem auch in Braille-Schrift.
Blick vom Ölberg aus Richtung Altstadt Jerusalems. Die Al-Aksa-Moschee ist nicht die mit der goldenen Kuppel (das ist der Felsendom) sondern das flachere Gebäude auf der linken Seite. Außerdem sieht man hier schon sehr schön die Reihe an Gräbern vor den Stadttoren.
Blick vom Ölberg aus Richtung Altstadt Jerusalems. Die Al-Aksa-Moschee ist nicht die mit der goldenen Kuppel (das ist der Felsendom) sondern das flachere Gebäude auf der linken Seite. Außerdem sieht man hier schon sehr schön die Reihe an Gräbern vor den Stadttoren.
Und hier noch mehr Gräber, die angelegt wurden, um dem Messias den Weg Richtung Jerusalem zu versperren.
Und hier noch mehr Gräber, die angelegt wurden, um dem Messias den Weg Richtung Jerusalem zu versperren.

Unsere Tour endet dann am Löwentor und der Tag neigt sich auch langsam dem Ende entgegen. Also noch ein bisschen was gegessen und es geht Richtung Unterkunft. Da merkt man dann auch langsam seine Füße, denn zweimal vier Stunden laufen ist doch schon allerhand.


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