Eine Schuldenbremse für Sachsen?

Hurra, endlich ist es soweit und die Linkspartei ist – zumindest in Sachsen – zu einer “normalen” Partei geworden, die auch mit der und mit der auch die CDU kann. Eigentlich recht unspektakulär, sollte man meinen. Aber die sächsische CDU ist dermaßen verkrustet, dass im Land national befreiter Zonen und des NSU der Feind immer noch links steht. Das ist allerdings ein anderes Thema; hier soll es vielmehr darum gehen, dass sich die Linke in Sachsen Schuldenbremse äußerst – ich muss es leider so formulieren – dämlich angestellt hat. Ein bisschen was zur Genese des ganzen Themas: Die Schuldenbremse ist ja wie allgemein bekannt ein liberal-konservatives Lieblingsprojekt. Eines dieser Projekte, die “wachstumshemmend und krisenverschärfend” ist. Eines dieser Projekte, welches von liberal-konservativer Seite als Rettungsanker für die sogenannte Eurokrise propagiert wird; welches aber in Griechenland und anderswo schon seine Wirkungslosigkeit gezeigt hat. Im Übrigen ein Instrument, welches es ähnlich auch in den USA gibt. Allerdings wurde es dort seit 1960 bereits 78 mal angehoben. Dies sollte die Sinnlosigkeit einer solchen Schuldenbremse bzw. einer Schuldengrenze zeigen.

Natürlich ist es für liberal-konservative Kräfte immer etwas schwierig, von liebgewonnenen Überzeugungen abzurücken, auch wenn die Realität sie schon dreimal als falsch dahingestellt hat. Dementsprechend will auch die sächsische CDU-FDP-Regierung eine Schuldenbremse in die sächsische Landesverfassung aufnehmen. Da sie dafür (zum Glück möchte man meinen) keine eigene Zweidrittelmehrheit besitzt, braucht sie die Unterstützung der anderen Parteien im Parlament. Auch wenn die Koalitionäre ansonsten gerne mal mit der NPD zusammen abstimmen, war es denen in diesem Fall wohl doch zu heiß. Deshalb gab es eine Einladung an die SPD-Fraktion und an die Grüne Fraktion im Landtag. Denn konservativ sein heißt natürlich: Mit Linken diskutieren wir nicht. Wäre in diesem Fall meiner Meinung nach auch gar nicht problematisch, ging es doch um ein Thema, welches wir als Linke immer abgelehnt haben: die Schuldenbremse.

Nun wollte aber die SPD wohl nicht, dass die Linke die einzige Partei im Landtag bleibt, die gegen die Einführung dieses unsäglichen Elements stimmt und hat deshalb gefordert, auch die Linke mit an den Verhandlungstisch zu nehmen. Und es kam, wie es kommen musste: Die Fraktion ließ sich vor den Karren spannen und tatsächlich debattierte ein Landesverband der Linken über die Einführung der Schuldenbremse. Seltsam genug. Herausgekommen ist nun ein Bündel von Änderungen der Verfassung, die folgende Punkte beinhalten sollen

  • Ausnahmebehaftetes Verschuldungsverbot: Neuverschuldungen sind nicht erlaubt, es sei denn es ereignen sich Naturkatastrophen, Notsituationen oder ein sehr hoher Einbruch der Konjunktur.
  • Generationenfonds: Der Generationenfonds wird verfassungsrechtlich verankert. In diesen werden aus laufenden Haushalten Rückstellungen für zukünftige Pensionen umgeleitet, um eine kapitalgedeckte Versorgung aufzubauen. Dies ist eine originäre CDU-Forderung, die dazu führt, dass Mittel in Millionenhöhe aus dem Haushalt nicht produktiv verwendet werden können sondern schon gebunden sind.
  • Mehrbelastungsausgleich sächsischer Kommunen: Hiermit soll eine nachträgliche Mehrbelastung von Kommunen durch übertragene Aufgaben finanziell ausgeglichen werden. Eine SPD-Forderung, der sich auch die Linke anschließt. Diese Forderung wird aber sicherlich genauso gut (wenn auch vielleicht nur insgeheim) von konservativen Bürgermeister_innen geteilt, geht es doch um den ewigen Streitpunkt kommunaler Finanzen.
  • Prinzip des sozialen Ausgleichs: Neben den bekannten Prinzipien zur Aufstellung eines Haushalts, d.i. gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht und Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sollen auch Erfordernisse des sozialen Ausgleichs beachtet werden. Eine originär linke Forderung, die dafür sorgt, dass beim Aufstellen eines Haushalts auf “Soziale Grundrechte” geachtet werden muss.

Dies sind nun also die Komponenten, über die es zu diskutieren gilt. Und da muss ich sagen: Schwach, liebe Fraktion, ganz schwach. Da habt ihr euch von der SPD aber ordentlich über den Tisch ziehen lassen. Was haben wir denn? Die Schuldenbremse: wie oben schon angeschrieben, ein sinnloses, wenn nicht gar kontraproduktives Instrument. Der Generationenfonds: sorgt dafür, dass Haushaltsmittel fest gebunden werden und damit nicht mehr zur Verfügung stehen. Die zwei interessanteren Punkte sind demnach der Mehrbelastungsausgleich und das Prinzip des sozialen Ausgleichs.

Ich habe es oben schon geschrieben, dass ich der Meinung bin, für den Mehrbelastungsausgleich hätten wir unsere Ablehnung der Schuldenbremse nicht aufgeben müssen. Für diesen Ausgleich ist jede_r vernünftige Bürgermeister_in, die oder der im Interesse ihrer oder seiner Stadt handelt. Da ist es vollkommen egal, welches Parteibuch die betreffende Person innehat oder ob sie parteilos ist.

Bleibt als einziger Punkt das Prinzip des sozialen Ausgleichs. Nun soll also in der sächsischen Verfassung ein weiterer Punkt stehen, den es bei der Aufstellung des Haushaltsplans zu beachten gilt. Wie das genau ausgestaltet wird, ist zunächst natürlich vom konkreten Verfassungsentwurf abhängig. Darüber hinaus wird es allerdings auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen, dass das Sozialgebot durch Verfassungsgerichte ausgelegt wird, spätestens wenn das erste Mal gegen einen neuen Haushalt geklagt wird. Nun ist allerdings laut Gerichten auch Harzt IV nicht prinzipiell unsozial, lediglich über die Höhe der Sätze wird gestritten. Daher bleibt abzuwarten, ob das Sozialstaatsgebot nicht nur ein zahnloser Papiertiger ist. Ich befürchte ja eher das zweite.

Zusammenfassen gibt es für mich drei riesengroße Probleme, die aus der gefassten Vereinbarung resultieren: Erstens: In nur ganz wenigen Medienberichten über die geplante Verfassungsänderungen wird auf die Punkte, die der Linken wichtig sind, detailliert eingegangen werden. Stattdessen wird sich die Berichterstattung auf die Einrichtung der Schuldenbremse konzentrieren, und dass nun auch die Linke dafür ist. Zweitens: Wir machen uns komplett unglaubwürdig. Monate- wenn nicht gar jahrelang haben wir als Linke auf der Straße an Infoständen und in Flyern den Bürger_innen erzählt, dass und warum eine Schuldenbremse sinnlos und gefährlich ist. Und auf einmal soll sie das nicht mehr sein? Ich möchte keine zu weit gehenden Vergleiche ziehen, aber das erinnert mich frappierend an die 180-Grad-Wende der CDU/FDP-Bundesregierung in Sachen Atomkraft. Drittens, und vielleicht das größte Problem: Wir stellen unseren Genoss_innen in anderen Ländern und im Bund vor enorme Probleme. Warum sollen sie gegen die Schuldenbremse sein, wenn die sächsische Linke meint, eine Schuldenbremse wäre kein Problem? Was sollen die denn ihren Wähler_innen sagen? Dass die Uhren in Sachsen anders ticken, wissen wir zwar alle, aber wir müssen uns als Linke doch nicht an diesem konservativen Steinzeitdogmatismus beteiligten. Nein, so leicht kommen wir aus der Sache nicht raus!

Was sind also die Möglichkeiten, die Schuldenbremse in Sachsen doch noch zu verhindern? Zum Glück ist noch nicht aller Tage Abend und bisher liegt lediglich eine Vereinbarung der Fraktionsvorsitzenden der Linken, SPD, Grünen, CDU und FDP vor. Das heißt, es gibt noch die Möglichkeit, auf unsere Landtagsabgeordneten einzuwirken und ihnen zu zeigen, dass die Basis ganz und gar nicht mit ihren Vorschlägen einverstanden ist. Beteiligt euch dazu an der Debatte im Dialog für Sachsen. Daneben könnt ihre eure Landesabgeordneten auch direkt anschreiben und ihnen eure Meinung kundtun. Ich habe die Befürchtung, dass man dort mittlerweile zu sehr im Mainstream ankommen will und dass das Ziel, mit der CDU diskutieren zu dürfen, zum Eigenzweck wird.

Und natürlich müsst ihr alle am 17. Februar die Barbara wählen, um eine Linke Oberbürgermeisterin in Leipzig zu bekommen!


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